Hygienic Design und Reinigbarkeit

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Neben dem Einfluss auf die Anlagenfunktion (und damit auf den Herstellprozess und die Prozessvalidierung) hat das Anlagendesign auch Auswirkungen auf die Reinigbarkeit der Anlage (und damit auf die spätere Reinigungsvalidierung). Eine elementare Voraussetzung für eine gute Reinigbarkeit und die Vermeidung eines von der Anlage ausgehenden Kontaminationsrisikos ist daher ein hygienisches Anlagendesign (Hygienic Design).

Ein hygienisches Design erfordert, dass Anlagen so konstruiert sind, dass die produktberührenden Teile für das Reinigungsmittel angemessen zugänglich und nach der Reinigung leicht zu trocknen sind. Inwieweit bei einer Anlage reinigungsgerechte Materialien und Oberflächenverarbeitungen eingesetzt wurden und die für die Reinigung notwendigen Steuerungs- und Überwachungseinrichtungen vorhanden sind, ist nicht erst in der Reinigungsvalidierung zu überprüfen. Die Anforderungen an eine reinigungsgerechte Anlage fließen in die URS ein und müssen bereits im Rahmen der Qualifizierung überprüft werden. Die Reinigbarkeit einer Anlage ist also nicht allein vom individuellen Reinigungsverfahren abhängig, sondern sie ist ein „intrinsisches Designmerkmal“.

Info:

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Hygienic Design gewährleistet nicht nur einen hohen Hygienestandard, sondern ermöglicht auch einen wirtschaftlicheren Anlagenbetrieb, eine höhere Arbeitssicherheit und einen besseren Umweltschutz. Anlagen, die schwer zu reinigen sind, erfordern aufwendigere Reinigungsprozesse, aggressivere Reinigungsverfahren und -medien sowie längere Abläufe. Die Folgen sind höhere Produktionskosten, höhere Gefahren für das Personal, geringere Anlagenverfügbarkeit und in der Regel höhere Abwassermengen.

Zur Bewertung der Reinigbarkeit müssen alle produktberührenden Bauteile eingeschätzt werden. Für diese Beurteilung steht die Norm ISO 14159 „Sicherheit von Maschinen - Hygieneanforderungen an die Gestaltung von Maschinen“[1] zur Verfügung, die für eine Einteilung von Einzelkomponenten in Hygieneklassen angewendet werden kann. Sie dient auch als Hilfsmittel zur richtigen Auswahl von Komponenten und Anlagen und kann im Rahmen der Designqualifizierung berücksichtigt werden.

Darüber hinaus lassen sich hygienische Anforderungen auch aus der in der Lebensmittelindustrie praktizierten Guten Hygienepraxis ableiten. Die EHEDG[2] hat dazu allgemeine Gestaltungsleitsätze zum hygienischen Anlagendesign in der Norm DIN 1672-2[3] veröffentlicht. Die Grundsätze dieser Norm sind auch auf die Pharmaproduktion übertragbar.

Die Risikoanalyse bezüglich eines hygienischen Anlagendesigns sollte insbesondere die verwendeten Werkstoffe und deren Oberflächenbeschaffenheit und -bearbeitung berücksichtigen. Denn die richtige Wahl der Werkstoffe stellt sicher, dass keine nachteiligen Auswirkungen durch Reaktionen zwischen Werkstoff, Produkt und Reinigungsmedien auf das Produkt erfolgen. Die hierbei zu fordernde chemische und mechanische Stabilität von Oberflächenmaterialien beinhaltet:

  • Inertheit gegenüber Produkt, Reinigungs- und Desinfektionsmitteln
  • Korrosionsbeständigkeit bei Metallen
  • Alterungsbeständigkeit, niedrige Wärmeausdehnungskoeffizienten und Rückstellvermögen bei Elastomeren
  • Ausschluss von Adsorptionen (Anlagerung/Anhaften von Stoffen an der Oberfläche)
  • Ausschluss von Absorptionen (Aufnahme von Fremdstoffen in das Oberflächenmaterial)

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Kleb- und Dichtstoffe sowie Schmierstoffe der Anlage müssen toxikologisch unbedenklich sein.

Die geeignete Beschaffenheit und Bearbeitung der produktberührenden Anlagenoberfläche unterstützen die Reinigbarkeit und sind daher entscheidend für die Reduzierung von Reinigungszeiten, -zyklen und -kosten. Erhebliche Probleme bezüglich der Reinigbarkeit der Anlage entstehen z. B. durch:

  • mangelnde Oberflächenglätte
  • Auswahl von Werkstoffen, die zu Rissbildung, Absplittern, Abblättern oder Abrieb neigen
  • schlechte Ausführung von Schweißnähten
  • Stufen oder Rücksprünge durch fehlerhafte Zentrierungen
  • freiliegende Schraubgewinde, Hohlräume und Spalten (z. B. in Scharnieren)
  • vorstehende Teile, Leisten, versteckte Ecken
  • unzureichende Dichtheit der Anlage und damit Gefahr des Eindringens von Staub, Feuchtigkeit und Mikroorganismen

Weitere Risikoaspekte eines hygienischen Designs sind außerdem die Ausführung von Rohrleitungen und Dichtungen:

  • In Rohrleitungen finden sich häufig nachträgliche Einbauten (z. B. Sensoren) oder Erweiterungen (z. B. Stichleitungen). Diese können ein Strömungsproblem darstellen und die Reinigbarkeit erschweren. Gleiches gilt für Rohrleitungsführungen mit häufigen Richtungsänderungen, da sich hierbei „Toträume“ bilden können, die nicht adäquat durchströmt und gereinigt werden können.
  • Auf Dichtungen sollte so weit möglich verzichtet werden, denn sie sind grundsätzlich kontroll- und wartungspflichtig und erhöhen dadurch den Instandhaltungs- und Reinigungsaufwand. Das betrifft sowohl den Dichtungseinbau in gas- oder wasserführende Rohrleitungen wie in produktführende Leitungen, z. B. bei der Herstellung halbfester Arzneiformen. Dichtungseinbauten können zu Spaltbildungen führen, in denen sich Produktreste und Mikroorganismen bevorzugt ablagern. Reinigungs- und Sterilisationsmaßnahmen sind in solchen Spalten oft nur unzureichend wirksam. Dort wo Dichtungen unvermeidbar sind, ist deshalb auf eine definierte Vorspannung/Pressung für die zuverlässige und dauerhafte Dichtheit im montierten Zustand zu achten. Dichtungs-Einbauräume sowie Dichtungsquerschnitte sollen daher so ausgelegt sein, dass bei der Montage die nötige Flächenpressung erreicht wird und gleichzeitig die Dichtungswerkstoffe nicht überbeansprucht werden. Bei den verwendeten Elastomeren sind deren chemische Beständigkeit gegenüber dem hergestellten Produkt sowie den Reinigungs-, Desinfektions- und Sterilisationsmedien unter Beachtung der Temperatur wichtige Gesichtspunkte. Zusätzlich sollten die Elastomere eine hohe Beständigkeit gegen Abrasion, eine geringe Porosität sowie eine hohe Druckverträglichkeit aufweisen.

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Anlagen sollten grundsätzlich selbstentleerbar sein, um Reinigung, Spülung und Trocknung der Anlage zu erleichtern. Dies ist auch bei nachträglichem Einbau von Komponenten, wie Lagerbehältern, Pumpen oder Rohrleitungen, zu berücksichtigen.

Die folgende Auflistung zeigt konstruktiven Merkmale, die für ein hygienisches Design zu beachten sind.

Konstruktionsmerkmale für ein hygienisches Design
·       Dichtigkeit (Vermeidung des Eindringens von Mikroorganismen)

·       Oberflächengüte (insbesondere Rauhtiefe) der produktberührenden Materialien

·       zentrierte Verbindungen/Anschlüsse

·       chemisch und mechanisch inerte Konstruktionsmaterialien, inkl. Kunststoffe und Elastomere

·       Verträglichkeit von Klebstoffen und Schmiermitteln

·       vollständige Entleerbarkeit der Anlage

·       Spalten- und Totraumfreiheit

·       hygienegerechte Schweißnähte

·       Vermeidung von galvanischen Reaktionen zwischen unterschiedlichen Materialien

© 2023, Dr. Michael Hiob

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Themenbereich Qualifizierung

Quellen

  1. Sicherheit von Maschinen - Hygieneanforderungen an die Gestaltung von Maschinen (ISO 14159:2002); Deutsche Fassung EN ISO 14159:2008 Ausgabe 2008-07
  2. EHEDG - European Hygienic Engineering & Design Group, www.ehedg.org
  3. DIN EN 1672-2 Nahrungsmittelmaschinen - Allgemeine Gestaltungsgrundsätze - Teil 2